Überraschenderweise ist der größte Befürworter der Erneuerbaren Energien (RES) heute nicht wie zu erwarten Minister Habeck, sondern Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Führer der Sozialdemokratie sieht dies als den wichtigsten Weg zur Energieunabhängigkeit von Russland und unterstützt daher überall, wo er hingeht, den Bau von Windturbinen und Solarmodulen en bloc. Damit „Deutschland bis 2030 bis zu 80 Prozent der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen kann“, sagte Scholz volle Investitionsunterstützung für alle zu, die Solar- oder Windparks bauen wollen.
Aber Minister Habeck muss praktischer werden, denn auch der sehr schnelle Ausbau erneuerbarer Energien wird die akute Gaskrise, die Europa erfasst und die voraussichtlich im Winter ihren Höhepunkt erreichen wird, nicht lösen. Deutschland arbeitet seit vielen Wochen an seinem Management, und ein Teil des Plans, der drei verschiedene Szenarien enthält, sieht auch die Wiederinbetriebnahme einiger alter Kohlekraftwerke vor, was ohne eine Änderung der Gesetze nicht zu bewerkstelligen ist Parlament wird dies hoffentlich noch vor der Sommerpause tun können. Auch Habeck wurde mehrfach von der Regierung aufgefordert, den endgültigen Rückbau der letzten Atomblöcke in Deutschland, der Ende des Jahres erfolgen soll, zu verschieben. Aber Habeck lehnte ab. Dass dies auch aus symbolischen Gründen geschieht, muss wohl nicht so stark hinzugefügt werden, denn die ganze grüne Bewegung in Deutschland ist aus den Protesten gegen die Atomenergie entstanden, deren Nachfolger Habeck ist.
Der Minister verhehlt auch nicht, dass es zur Bewältigung der Krise wohl notwendig sein wird, dass der Staat in den größten Gasverteiler Uniper einsteigt, der Gas im Ausland einkauft und sich um die Lieferung nach Deutschland kümmert. Obwohl Russland die Zapfstellen noch nicht vollständig geschlossen hat, passieren nur zwei Fünftel der normalerweise gelieferten Menge die Pipeline. Die Deutschen führen die Bewegungseinschränkungen auf den wahllosen Umgang des russischen Präsidenten mit Energieressourcen als Hauptwaffe im Kampf gegen die “westliche Hegemonie”, wie er es nennt, zurück. Minister Habeck und Bundeskanzler Scholz haben mehrfach direkt zu diesem Thema gesprochen.
Aber die Wahrheit ist ein bisschen komplexer und prosaischer. Es ist nicht so, dass die Russen Gas nicht als Erpressungsinstrument einsetzen, aber technische Probleme verursachen die Versorgungsunterbrechung. Dies ist teilweise eine paradoxe Folge des guten Funktionierens der Anti-Putin-Sanktionen. Die Russen müssen die riesigen Pumpen ersetzen, die nicht funktionieren, aber Kanada blockiert sie, weil sie sich konsequent an die Sanktionskonventionen der westlichen Länder halten. Die Russen haben keinen relevanten Ersatz und können die Kapazität der Pipeline mit ihrer Technologie nicht erhöhen. Ähnliche Probleme sind auch bei der Ölförderung zu erwarten, da große globale Unternehmen aus den USA und anderen Ländern die Ölfelder verlassen haben, die den Bergleuten die notwendige technische Infrastrukturunterstützung bieten, und die Russen sie nicht ersetzen können.
Die wirkliche Situation wird laut Minister Habeck nach der zehntägigen Stilllegung der Gaspipeline Nord Stream 1 deutlich, die Gazprom als reguläre Wartung angekündigt hat. Die volle Kapazität der Gaspipeline brauchen die Deutschen vor allem, um bis zum Winterbeginn alle ihre Tanks (abgenommen von Gazprom, die die Befüllung blockierten) zu füllen, die Deutschland noch im Jahr bis zu einem Vierteljahr versorgen würden bei Ausfall der Gasversorgung.
Im Wesentlichen beantragt auch der finnische Staatskonzern Fortum einen Staatseinstieg bei Uniper, das einen Kredit von acht Milliarden Euro zur Finanzierung des Unternehmens gewährt. Der Einstieg der deutschen Regierung in das Geschäft würde die finanzielle Sicherheit weiter verbessern, außerdem hätten beide Regierungen die direkte Kontrolle über die Gaslieferungen und Verfahren zu ihrer Sicherung aus anderen Quellen. Der Staat greift damit de facto auf die Energiewirtschaft zurück, denn in Krisenzeiten und unter dem Druck eines kriegführenden Anbieters können normale Marktmodelle und Anbieter-Kunden-Beziehungen nicht mehr funktionieren.
Die Frage ist, ob die effektive Verstaatlichung von Uniper vorübergehend oder dauerhaft wäre. Bisher spricht man eher von einem Modell wie im Fall des Staatseinstiegs bei der Airline Lufthansa während der coviden Abschaltung des Flugverkehrs. Heute zieht sich der deutsche Staat sukzessive aus dem Unternehmen zurück, hält aber immer noch 14 Prozent an Lufthans.
Heute diskutiert Deutschland nicht mehr darüber, wie viele Waffen welcher Art in die Ukraine geschickt werden sollen, sondern wie die Energiesicherheit für diesen Winter gewährleistet werden kann. Auf dem Papier ist alles bereit, bis hin zur finanziellen Förderung von Produktionen mit hohem Energiebedarf, die der Staat je nach Größe mit bis zu 50 Millionen Euro unterstützen kann. Aber die Hauptsache sei die „mentale Vorbereitung auf eine Krise“, betont Habeck. Die Deutschen müssen akzeptieren, dass sie kräftig sparen müssen und für einen Zeitraum von zwei, drei Jahren, der sogar einen Absturz in die Rezession bedeuten kann, auch ihre expansiven Konsumgelüste einschränken müssen.
Der Autor ist ein redaktioneller Mitarbeiter